Community Food Talk mit Maya Ladner (ZHAW)

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Community Food Talk mit Maya Ladner (ZHAW)

Food Campus: Was bedeutet für dich „regenerativ" in Food-Systemen?

Es bedeutet für mich persönlich vor allem eine Chance, einen Perspektivenwechsel zu wagen und neue Handlungsfelder zu ermöglichen. Zum einen erweitern wir Nachhaltigkeitsbestrebungen der letzten Jahrzehnte um neue, relevante Dimensionen, zum anderen erlauben wir, explorativ und kollaborativ etwas Neues zu entwickeln.
Konkret bedeutet es für mich einen holistischeren, empathischeren und mutigen Weg, um innerhalb der nächsten Jahrzehnte etwas zu schaffen, das einfach schier unmöglich scheint. Nämlich die Lebensmittel- und Ernährungssysteme so zu gestalten, dass sie gesundes und genussvolles Essen innerhalb der planetaren Grenzen für alle ermöglichen. Simpel ausgedrückt, sollen unsere Erde, wir Menschen und alle anderen Bewohner:innen florieren. In dem Sinne ist es umso wichtiger, dass wir möglichst offen und vernetzt zusammenarbeiten und weniger in unseren eigenen Gärtchen handwerkeln.

Food Campus: Welche Skills sind notwendig, um unser Food-System künftig regenerativ zu gestalten?

Für mich ist es eine Bandbreite an Fähigkeiten und Eigenschaften, insbesondere solche, die bisher viel zu kurz gekommen sind. Ich denke hierbei an die Kompetenz, gut zuhören zu können, Verständnis und Empathie für das Gegenüber zeigen zu können, oder auch die Bereitwilligkeit, mit anderen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Dann finde ich Themen wie Kommunikation, Self-Leadership und persönliche Resilienz, Mitgefühl und Geduld für sich und andere sehr wichtig.

Für den effektiven Gestaltungsteil gehören auch eher bekannte Skills dazu: Unternehmerisches Verständnis, um die Transformation auch in die Tat umsetzten zu können; vernetztes Denken und Handeln, um relevante Lösungen zu erarbeiten und diese dann in komplementärer Zusammenarbeit umsetzen zu können. Ich denke, es gehört auch immer Leidenschaft dazu, sich in einen bestimmten Bereich reinknien zu wollen und die eigene Expertise dann mit der anderer zu erweitern. Veränderung zu manifestieren, ist herausfordernd, da braucht es eine Bandbreite von Kompetenzen, die eine Person vielleicht gar nicht in sich vereinen muss, um die notwendige Balance und Erfolg hinzubekommen.

Food Campus: Worauf liegt der Fokus in eurem Studiengang?

Wir haben verschiedene Schwerpunkte. Die Studierenden haben auch über verschiedene Kanäle die Möglichkeit, eigene Schwerpunkte zu setzen und diese zu verfolgen. Die wichtigsten:

  • Vernetzung: Food-Systeme, Unternehmertum und Umwelt
  • Innovation und Transformation: Entwicklung von Geschäftsmodellen für regenerative Food-Systeme
  • Personenzentriertes Studieren: Vermittlung von relevanten Kompetenzen und die Förderung der selbstverantwortlichen Kompetenzentwicklung

Food Campus: Warum ist der Studiengang entstanden?

Die ursprüngliche Idee ist sicherlich aufgrund von Frust entstanden, dass wir im Wandel der Lebensmittelsysteme einfach nicht vorwärtskommen. Dieser Frust hat sich schnell in die Motivation verwandelt, einen Studiengang zu kreieren, der Food-Preneur:innen mit den relevanten Skills ausbildet – um Transformation zu katalysieren.
So geradlinig das klingt, gibt es noch eine weitere Dimension, weswegen der Studiengang auch wirklich umgesetzt werden konnte: Wir haben nicht aufgegeben, auch wenn es zeitweise wirklich herausfordernd war und ist. Wir haben immer wieder Gleichgesinnte und Sparringpartner:innen gesucht, die uns vorangetrieben und unterstützt haben. Wir hören auch denjenigen zu, die uns kritisieren. Wir haben uns selbst immer wieder hinterfragt und aufs Neue an unsere Idee geglaubt. Wir sind flexibel und neugierig geblieben. Wir haben die leeren Energietanks aufgefüllt und uns neue Kreativität und neuen Mut gesucht. Und insbesondere haben wir auch nach dem dritten Nein nochmals angesetzt. Für mich mit am wertvollsten: Ich habe selten den Humor verloren.

Food Campus: Was sind die größten Herausforderungen für eine nachhaltige Transformation der Ernährungsindustrie?

Für mich sind es oft Egoismus und Widerstand gegen Veränderung, sei es im beruflichen oder persönlichen Umfeld. Mir fehlt es oft an Kompromissbereitschaft und dem Willen, bei sich selbst anzusetzen, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen und zu warten, bis sich die anderen, die Umstände oder die Welt verändert haben. Und dann fehlt es ganz einfach auch an Zeit. Wir können es uns eigentlich nicht erlauben, noch länger mit einer radikalen Transformation zu warten. Das ist sehr unbequem, gerade wenn wir doch eigentlich gerne diplomatisch alle mitnehmen und abholen wollen. Ich frage mich manchmal, wie es aussehen würde, wenn von heute auf morgen einfach mal ein paar radikale Entscheidungen getroffen würden, wie z. B. die obligatorische Kontingentierung von tierischen Produkten für den Eigenkonsum. Ich denke, der anfängliche Widerstand wäre groß, innerhalb kürzester Zeit hätten wir uns allerdings arrangiert. Dass wir alle eigentlich sehr anpassungsfähig und vergesslich sind, haben wir als Gesellschaft schon oft bewiesen. Es scheint nur immer im Vorfeld so endlos schwierig.

Und wir sind überwältigt von der Größe des Problems. Woher sollen wir die Motivation und den Antrieb nehmen, im Kleinen etwas zu verändern, wenn wir uns immer wieder den schier endlosen Berg vorstellen, denn wir zu stemmen versuchen?  
Wenn ich mir das so überlege und zusammenfasse: Die größte Herausforderung liegt bei jeder einzelnen Person, die etwas – sei es auch nur etwas ganz Kleines – verändern könnte, aber es nicht tut. Der Ansatz, der mir hierbei immer weiterhilft: Schritt für Schritt und nicht allein.

Food Campus: Welche Statistik/Studie zitierst du gerne und am häufigsten?

Da ich mir genaue Fakten nur schlecht merken kann, versuche ich möglichst wenig zu zitieren. Worauf ich mich aber in Gesprächen mit anderen ganz oft beziehe:

  • Food Waste – wir schmeißen mehr als 1/3 unserer Lebensmittel weg (immer wieder aufs Neue mindblowing)
  • Planetare Grenzen und wie deren Überschreitung mit unserer Lebensmittelproduktion zusammenhängt (die kann ich nicht auswendig, da brauche ich immer eine Folie dazu, ich kann nur sagen, dass der Zusammenhang riesig ist)
  • Wie eine Gratitude-Praxis unser Wohlbefinden nachweislich verbessern kann
  • Wie wenig Geld tatsächlich mit Wohlbefinden und Zufriedenheit (Wohlstand) zu tun hat (die Schwelle liegt irgendwo bei 70 000 USD pro Person und Jahr, danach verbessert sich unser Wohlbefinden nicht mehr, im Gegenteil, wir werden eher unglücklicher)
  • Im Schnitt macht der Einfluss von Verpackungsmaterial und Transport unter 4 Prozent des gesamten Umwelteinflusses unserer Lebensmittel aus (nie beliebt bei denjenigen, die nichts an ihrem Konsumverhalten ändern möchten, außer dem Versuch, Verpackungsmaterial zu reduzieren)
  • Veganer:innen und Vegetarier:innen sind durch ihren Konsum von Soja nicht an der Rodung von Urwäldern schuld, denn irgendwo zwischen 75 und 85 Prozent der globalen Sojaproduktion werden für Tierfutter verwendet – Soja für den menschlichen Konsum stammt, zumindest bei uns, ganz oft aus europäischem Anbau _(sehr unbeliebt bei allen Massenfleischkonsumierenden, die so gerne sagen, Soja sei ja auch nicht besser als Fleisch) _

Food Campus: Deine Vision für die Food-Branche in einem Satz?

Creating a way of togetherness that allows all of us and our planet to thrive – one compassionate step at the time.

Die schnellen 8 an Maya Ladner (Programme Director, MSc in Preneurship for Regenerative Food Systems bei der ZHAW – Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften)

Wieso gerade Food?
Es gibt nichts Schöneres, als die Herzensmenschen um einen Tisch zu versammeln, sie zu verpflegen und gemeinsam zu genießen – dabei passiert so viel mit und zwischen uns.

Umdenken, was bedeutet das für dich?
Anstrengende Selbstreflexion; Bewusstsein dafür, dass Umdenken allein noch keine Veränderung bedeutet; das Hinterfragen lieben zu lernen; die Komfortzone immer wieder freiwillig und mit Bedacht zu verlassen; sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen; uneigennütziges Handeln; das Bewusstsein darüber zu entwickeln, dass wir nicht alles allein meistern müssen.

Was macht deinen Tag perfekt? 
Eine Kaffeepause mit meinem Mann auf unserer Terrasse am Morgen, während wir 10 Minuten den Vögeln oder dem Regen zuhören; herzhaft (über mich selbst) lachen; spontane Gespräche und Interaktionen mit Menschen.

Dein größter Erfolg bisher (beruflich oder privat)
Dass ich mir Flexibilität, Optimismus und Selbstmitgefühl (immer wieder aufs Neue) beibringen kann.

Deine größte Herausforderung bisher (beruflich oder privat)
Zu merken, wann ich mir zu viel zumute.

Dein schlimmstes kulinarisches Erlebnis
Das „Disgusting Food Museum“ in Kopenhagen – trotzdem empfehle ich den Besuch sehr!

Deine Lieblings-Foodblogs

  • Eat This!
  • The Great Full (Community & Newsletter)

Deine Lieblings-Podcasts

  • Bewildered
  • The Happiness Lab
  • Unlocking Us

3 Hashtags
#bekind 
#regenerativefoodsystems 
#authenticity

3 Marken 
Bio Suisse (Schweizer Bio-Label) 
Mrs Flury  
Thermomix

3 Learnings
Blame the problem not the person.  
In a world where you can be anything, be kind. 
We are human beings not human doings.

Zu Maya Ladner

Programme Director MSc in Preneurship for Regenerative Food Systems bei der ZHAW – Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Maya Ladner liebt es, Menschen an einen Tisch zu bringen – sei es, um neue Ideen zu kreieren, Bestehendes zu diskutieren oder einfach gemeinsam gutes Essen zu genießen.

Als Studiengangleiterin des MSc in Preneurship for Regenerative Food Systems kommt ihre Leidenschaft für Food-Systeme und Menschen zusammen. Es gibt viele Ansätze und Möglichkeiten, Lebensmittelsysteme zu gestalten, und dafür braucht es Menschen mit den notwendigen Fähigkeiten.  
Dabei werden fachliche Kompetenzen durch eine Bandbreite an zwischenmenschlichen Skills erweitert. Wie können wir gut zusammenkommen und Wirkung erzielen? Wie bleiben wir dabei resilient und glücklich? Was kann jede einzelne Person dazu beitragen, eine bessere Welt für alle zu gestalten? Diese Fragen erlauben es Maya Ladner, sich immer wieder neuen und faszinierenden Themen zu widmen – und diese zu vernetzen, um möglichst zweckorientiert und kollaborativ zu wirken.

Nachdem Maya die Ausbildungen in Lebensmitteltechnologie (BSc) und Food and Beverage Innovation (MSc) abgeschlossen hatte, kamen – angetrieben von ihrer großen Neugierde – weitere Erfahrungen aus diversen Bereichen wie Marketing, Projektmanagement, Coaching, Self-Leadership, höhere Bildung, Mindfulness und Facilitation dazu.

https://www.zhaw.ch/en/about-us/person/wiey/

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